News

Von wegen liebe Märchentante

Figurentheatermacherin Steffi Lampe mag keine Routinen, dafür schräge Stoffe mit Humor für alle Altersklassen

»Ich brauche dafür ein Stethoskop, eine Gummipuppe, eine Torte und einen Plastikpanzer« – ihre Herangehensweise an ein Stück vergleicht Steffi Lampe mit jener der Olsenbande. Seit 20 Jahren experimentiert sie mit dem Medium Figurentheater. Bis zum letzten Jahr war sie Mitbetreiberin des Puppentheaters Sterntaler, bevor sie es verließ, um frei zu arbeiten.

»Ich will nicht die liebe Märchentante sein«, begründet Lampe den Schritt. »Nur Handwerk in erwarteter Form zu machen, ist mir zu wenig, da gehe ich ein. Der Sterntaler hat sich als Kinder- und Familientheater fest etabliert und das ist auch gut. Für mich hat dann der Gedanke, jedes Jahr ein Stück nachzuschieben, das sich an ein Publikum ab drei Jahren richtet, nicht mehr ausgereicht.« Lampe nennt ihre Zeit am Haus »lehrreich und spannend«, aber sie brauchte einfach mehr Freiraum. »Das ist wirtschaftlich sicherlich nicht die vernünftigste Entscheidung, aber ich lebe von der Freude, dass etwas wahr wird, was ich machen will.« Aus diesen Gründen hat Lampe auch ihren Beruf ergriffen. Wenn sie in erster Linie aufs große Geldverdienen aus wäre, hätte sie etwas anderes gemacht, so Lampe. »Ich bin auch kein Typ für eine Festanstellung.« Als Gast an einem Haus zu sein, sei wunderbar, wie ihr Gastengagement am Erfurter Figurentheater Waidspeicher Erfurt, wo sie in dieser Spielzeit das Arbeiten mit einem Puppenspielerensemble genoss. Aber auf Dauer würde das zuviel Fremdbestimmung bedeuten, »Routine, die abschleift. Ein Künstler aber muss brennen für seine Sachen«.

Lampe selbst ist eine leidenschaftliche Theatergängerin, die bedauert, dass die Sparten so separiert voneinander sind. Ihre Mutter ist die Leipziger Puppenspielerin und Sterntaler-Mitgründerin Rosi Lampe (s. kreuzer 12/2012), die insbesondere auf Literaturvermittlung als Ziel setzt. Die Tochter hat ein anderes Spielverständnis und verstand mit 18 oder 19 Jahren, was Figurentheater alles kann. So arbeitete sie nach einer pädagogischen Ausbildung doch nicht als Erzieherin, sondern studierte an der Berliner Ernst-Busch-Hochschule Puppenspiel. Dann zog sie nach Halle, wo sie ein Aufbaustudium an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein absolvierte, um ihre Pirsch nach den geeigneten Mitteln des Geschichtenerzählens fortzusetzen. Von 2004 bis 2008 leitete sie in der Saalestadt das Internationale Figurensommerfestival, schließlich trieben sie Elternzeit und Lust auf neue Ufer nach Leipzig.

»Beim Studium in Berlin begrüßte man uns: ›Sie sind hier, weil Sie eine Ahnung haben. Und es ist unsere Aufgabe, Ihnen das richtige Handwerk dazuzugeben.‹ Daran denke ich heute immer mit einem Schmunzeln angesichts der Marktlage und der Reduzierung des Figurentheaters aufs Märchentransportieren.« Am Figurentheater reizt Lampe, dass man alles – Texte, Figuren, Regie – in einer Hand hat. Ihr liegt der demiurgische Aspekt, wenn sie als Schöpferin ihre eigene kleine Welt kreiert. »Jedes andere Medium kann perfekter sein, die Stärke des Theaters liegt in der unmittelbaren Anwesenheit, darin, dass es live ist.« Und noch einen Vorteil des Puppenspiels kennt Lampe: »Man kann es in einen Koffer stecken.«

In diesem Jahr packt sie zwei Neuinszenierungen an. Ende des Jahres wird sie eine »Sommernachtstraum«-Adaption zeigen – stark reduziert als Einpersonenstück, weil ein Teil der Förderung wegbrach. Im Sommer inszeniert sie »Frau Meyer, die Amsel« von Wolf Erlbruch als Familien-Sonntagvormittag in der naTo. »Es ist die Liebesgeschichte eines älteren Pärchens, zwischen Menschen aus unterschiedlichen Welten.« Ein Auflugdampfermusiker im Ruhestand geht noch immer eifrig zur Orchesterprobe. Auf dem Weg dorthin trifft er im Park oft auf Frau Meyer. Die muss sich plötzlich um ein ganz besonderes Findelkind kümmern: Eine aus dem Nest gefallene Amsel wirbelt die zarten Bande der beiden ordentlich durcheinander, weil sie Frau Meyers Fürsorge herausfordert. »Es bildet sich eine Art Notgemeinschaft«, sagt Lampe, lacht und betont, dass genug Erwachsenenhumor dabei ist; auch ein swingendes Live-Orchester hat sie integriert.

Humor ist ihr sowieso wichtig. Bei ihrem »Rotkäppchen« kommt die Oma mit Yogamatte ziemlich hip weg, während die Mutter ganz konservativ gezeichnet wird. »Es ist ja im Kern eine Geschichte der Nichtkommunikation. Rotkäppchen wird losgeschickt, weil die Mutter mit der Oma nicht kann. Und auch der Wolf ist anders: Ein verkappter Öko, der die Großmutter nur frisst, um seine Ruhe zu haben.« Ihren zusammen gekürzten »Sommernachtstraum« baut sie ganz auf die Langeweile Oberons und Titanias. Einen Dreh hat Steffi Lampe auch schon gefunden, wie sie ihren Shakespeare als Solo aufzieht. »Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert«, zitiert sie das A-Team.

TOBIAS PRÜWER im kreuzer 06/14

Seiten